Diesel-Betrugsprozess in Braunschweig nimmt Fahrt auf

 letztes Update: 28.11.2022
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Die strafrechtliche Aufarbeitung des Abgasskandals steht erst am Anfang

In einem Artikel vom 07.10.2021 berichtet das Handelsblatt, dass die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig die Vernehmung eines der angeklagten Ex-Manager von VW fortgesetzt hat. Hintergrund ist, dass das Gericht ein besseres Verständnis für die Arbeitsabläufe beim Autobauer bekommen möchte.

Strafverfahren gegen vier ehemalige Führungsverantwortliche

Im Strafverfahren gegen vier frühere Führungskräfte von Volkswagen geht es unter anderem um den Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs im Hinblick auf den Einbau einer Manipulationssoftware in Millionen von Autos (Az. 6 KLs 23/19).
Der Vorsitzende Richter Schütz legte im Gerichtstermin am Donnerstag (07.10.2021) insbesondere Wert darauf, die Details rund um das Projekt „US 07“ aufzuklären. Hinter dieser kryptischen Bezeichnung verbarg sich das Vorhaben von Volkswagen, einen „sauberen Diesel“ auf dem US-Markt zu platzieren. Hieraus entstand einer der größten Industrieskandale in den Vereinigten Staaten und in Europa.

Aussage im Prozess von Ingenieur

Im Gerichtsverfahren wurde erneut deutlich, dass es bereits im Jahr 2006 Probleme mit der Abgasnachbehandlung und schlechten Emissionswerten bei Volkswagen gab. Dazu äußerte sich der in den Zeugenstand berufene VW-Ingenieur eindrücklich:
Ein Scheitern an der Stelle war nicht erlaubt.
 VW-Ingenieur
Allerdings verneinte er die Frage, ob er mit einem Vorgesetzten über eine Umschaltfunktion gesprochen habe.
Der Experte für Abgastechnik war bereits im September befragt worden. Am 16.09.2021 fand der erste Temrin im Strafprozess gegen vier Angeklagte von VW statt. Aufgrund des enormen medialen Interesses und der verschärften Hygienemaßnahmen fand dieser Termin in der Stadthalle Braunschweig und nicht, wie üblich, im Gerichtsgebäude statt. Der Ingenieur hatte eigene Fehler zugestanden und ausgesagt, dass er es versäumt habe, „rechtzeitig aus dem Projekt auszusteigen“. Er machte auch deutlich, dass der Ex-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn die Hauptverantwortung tragen würde.

Verfahren gegen Winterkorn abgetrennt

Martin Winterkorn ist in diesem Verfahren allerdings nicht zugegen. Da der inzwischen 74-Jährige an gesundheitlichen Problemen leidet (Hüftprobleme), ist sein Verfahrenskomplex abgetrennt worden. Das bedeutet, dass eine separate Hauptverhandlung gegen den ehemaligen VW-Chef wohl frühestens im Jahr 2023 stattfinden wird. Für den umfangreichen VW-Dieselprozess sind durch das Gericht insgesamt mehr als 130 Verhandlungstage angesetzt worden. Das Verfahren dürfte somit bis (mindestens) Sommer 2023 laufen. Zum Vergleich: Regelmäßig werden Strafverfahren an wenigen Verhandlungstagen abgeschlossen.

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Heinz-Jakob Neußer als ranghöchster Angeklagter

Von den vier Angeklagten ist Heinz-Jakob Neußer, der ehemalige Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen, der ranghöchste Angeklagte. Er erhielt im Jahr 2018, also mehrere Jahre nach Ausbruch des Skandals, eine Kündigung von Volkswagen. Neußer wird vorgeworfen, schon kurz nach seinem Jobantritt Ende 2011 Kenntnis von der Manipulation gehabt zu haben. Er habe den Betrug jedoch nicht unterbunden. Später habe er sogar eine Erweiterung der Täuschungssoftware angeordnet. Dadurch konnte das Fahrzeug auch anhand des Lenkwinkels erkennen, ob es auf dem Prüfstand oder auf der Straße fuhr, und den Schadstoffausstoß entsprechend anpassen. Die Lenkwinkelerkennung lässt sich als besonders plumpe und dreiste Manipulation qualifizieren.

Hintergrund des VW Abgasskandals mit dem Motor EA 189

Hintergrund ist, dass die Volkswagen AG bei mehr als elf Millionen Fahrzeugen weltweit im Zusammenspiel mit dem Motor EA 189 eine Täuschungssoftware eingebaut hat. Diese erkannte den Prüfstand zur Abgasmessung anhand bestimmter Parameter und passte den Schadstoffausstoß entsprechend an. Im Prüfmodus waren die Stickoxid-Werte für Euro 5 und Euro 6 Fahrzeuge somit im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte gegeben. Im Straßenverkehr hingegen wurden diese sehr deutlich überschritten. Insofern lag nach Ansicht des Kraftfahrt-Bundesamtes für die in Europa mit dem Motor EA 189 zugelassenen Fahrzeuge eine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Mehrere Millionen Fahrzeuge wurden nach Auffliegen der Manipulation im September 2015 vom KBA verpflichtend zurückgerufen und mit einem Software-Update ausgestattet. Überwiegend handelt es sich dabei um Euro 5 Fahrzeuge ohne Ad-Blue Eindosierung.

Gute Aussichten vor Gericht für Fahrer von VW-Fahrzeugen mit dem Motor EA 189

Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, dass die VW AG wegen der Implementierung der Täuschungssoftware in Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftet. Die VW AG ist damit in diesen Fällen grundsätzlich verpflichtet, die Fahrzeuge gegen Rückzahlung des Kaufpreises und unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer zurückzunehmen. Im Vergleichswege einigte sich die Volkswagen AG im Rahmen einer Musterfeststellungsklage mit zehntausenden geschädigten Kunden. Dabei zahlte der Wolfsburger Konzern regelmäßig einen Pauschalbetrag an die Kunden, die die Fahrzeuge behielten.

Achtung: Mögliche Verjährung beachten

VW Fahrer, die ihre Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 vor weniger als 10 Jahren und bis spätestens zum 18.09.2015 gekauft haben, können ihre Ansprüche immer noch vor Gericht mit sehr hoher Erfolgsaussicht geltend machen. Wir prüfen gerne Ihren individuellen Fall und beraten Sie dazu.
Die Kanzlei BRIXLANGE Rechtsanwälte ist auf den Abgasskandal besonders spezialisiert und entwickelt individuell zugeschnittene Lösungen.

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