Hersteller trifft sekundäre Darlegungslast im Dieselskandal

 letztes Update: 28.11.2022
Hersteller trifft sekundäre Darlegungslast im DieselskandalHersteller trifft sekundäre Darlegungslast im Dieselskandal

Gute Aussichten für Diesel-Fahrer

Mit Urteil vom 28.09.2021 – VI ZR 29/20 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut zur sogenannten sekundären Darlegungslast eines Autoherstellers Stellung genommen. Nach unserer Einschätzung dürfte das Urteil auch Betroffene im Daimler Dieselskandal weiter bestärken, Schadensersatz einzuklagen, da die Grundsätze auch auf andere Autohersteller übertragbar sind.

Unzulässige Abschalteinrichtung vom KBA festgestellt

In dem entschiedenen Fall ging es um den Einbau einer vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässig eingeordneten Abschalteinrichtung in ein Diesel-Fahrzeug durch den Wolfsburger Autohersteller VW. Die Abschalteinrichtung erkannte, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im Straßenverkehr befand und regulierte danach die Stickoxid-Reinigung. Im regulären Fahrbetrieb fuhr das Fahrzeug mit einem anderen Abgasrückführungsmodus mit deutlich höherem Stickoxidausstoß. Der Hersteller wurde vom KBA zum Software-Update verpflichtet.

Klageverlauf

Die klagende Autokäuferin klagte unter anderem auf Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht Deggendorf hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Auch das Oberlandesgericht München als Berufungsgericht wies die Klage ab, da die Klägerin den Vorsatz der Beklagten nicht habe nachweisen können. Vorsätzliches Handeln ist jedoch Voraussetzung des § 826 BGB und damit notwendige Bedingung für das Bestehen eines Anspruchs auf Schadensersatz. In dem Verfahren wurde der Vorstandsvorsitzende als Zeuge geladen. Er konnte sich unter Hinweis auf das gegen ihn laufende Straf- und Ermittlungsverfahren jedoch auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
Das Oberlandesgericht München ließ den Anspruch der Klägerin insbesondere daran scheitern, dass es ihr nicht einräumte, sich auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu berufen. Ein Schadensersatzanspruch scheide aus, da die Klägerin den Beweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht erbracht habe.
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Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass das Verhalten des Fahrzeugherstellers als sittenwidrig zu qualifizieren sei. VW sei zum Schadensersatz verpflichtet, da der Motor im streitgegenständlichen Fahrzeug von dem Wolfsburger Autobauer produziert und mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet worden sei. Die Sittenwidrigkeit setzt nach dem BGH-Urteil kein unmittelbares Bevorstehen der Untersagung der Betriebserlaubnis voraus. Es sei ausreichend, dass noch nicht festgestanden habe, welche der rechtlich möglichen Maßnahmen die Behörde nach Aufdeckung der Prüfstandserkennungs-Software ergreifen würde. Dabei komme als Maßnahme auch die Vornahme einer Betriebsbeschränkung bzw. Untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV in Betracht.

Sekundäre Darlegungslast des Autoherstellers

Der BGH greift bezüglich der Annahme einer sekundären Darlegungslast auf seine ständige Rechtsprechung zurück. Der BGH betont zwar, dass grundsätzlich jeder, der einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt. Allerdings macht der BGH eine zutreffende Ausnahme, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den tatsächlichen Umständen und auch keine weitere Gelegenheit hat, die Sache aufzuklären. Wenn der Prozessgegner aber alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast. Dann muss er entsprechend zumutbare Nachforschungen betreiben. Ein entscheidendes Merkmal dieser sekundären Darlegungslast kann auch Daimler-Fahrern, die auf Schadensersatz klagen, zugutekommen. Denn kommt der Autohersteller seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

BGH wendet Grundsätze auf Autohersteller an

Der BGH entschied, dass der Motorhersteller die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Fragen trägt, wer konkret entschieden hat, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut werden soll und ob der Vorstand davon Kenntnis hatte.
Der BGH führte auch aus, dass die klagende Autokäuferin keine Kenntnisse bezüglich interner Abläufe und Entscheidungen haben könne. Allerdings sei der Motorenherstellerin hier Vortrag möglich und zumutbar. VW hatte im Verfahren lediglich darauf hingewiesen, dass alles Mögliche und Zumutbare getan worden sei, um das Geschehen aufzuklären. Damit genügte die Beklagte nach Ansicht des BGH nicht der sekundären Darlegungslast.

Entscheidung kann auch Daimler-Geschädigten weiterhelfen

Einige Oberlandesgerichte haben bereits darauf hingewiesen, dass auch die Daimler AG eine sekundäre Darlegungslast treffen kann. Dies betrifft einerseits die Hintergründe der verwendeten Abschalteinrichtungen bzw. des Grundes eines durch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Pflichtrückrufs. Andererseits kann eine sekundäre Darlegungslast auch bezüglich der entsprechenden Kenntnisse des Vorstands über die verwendeten Abschalteinrichtungen bestehen. Hier ist es geboten, dass die jeweiligen Gerichte die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im VW-Fall beachten und auf Daimler-Fälle übertragen.

Gute Chancen auf Schadensersatz gegen Mercedes

Alle betroffenen Daimler-Fahrer sind aufgerufen, ihren Fall von einem auf den Daimler-Dieselskandal spezialisierten Anwalt überprüfen zu lassen. Bei einigen Daimler Fahrern, die im Herbst 2018 die Rückrufschreiben erhalten haben, könnte Ende 2021 die subjektive Verjährung drohen. Bei anderen droht die absolute Verjährung, die taggenau zehn Jahre beträgt.

Beispiel:

Kauf am 05.12.2011, absolute Verjährung mit Ablauf des 05.12.2021.
Lediglich mit einer Klage kann die Verjährung gehemmt werden. Dabei können einige Daimler-Fahrer sich auch der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Bundesverband anschließen. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur für Daimler-Fahrer, die einen verpflichtend vom KBA zurückgerufenen Mercedes GLC oder GLK mit dem Motor OM 651 fahren. Auch mit der Beteiligung an der Musterfeststellungsklage gegen Mercedes wird die Verjährung gehemmt. Die Kanzlei BRIXLANGE berät Sie dabei, ob Sie sich zur Musterfeststellungsklage anmelden können oder ob eine Einzelklage für Sie sinnvoll ist.

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