Clouddienste schulden keine Urheberrechtsabgabe (OLG München)

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Mit Urteil vom 1. März 2024 (Az. 38 Sch 58/22 WG e) hat das OLG München entschieden, dass eine von uns vertretene Anbieterin hochsicherer, professioneller Cloud-Dienstleistungen (u.a. Online-Speicherplatz) keine Urheberrechtsabgabe an die ZPÜ und die deutschen Verwertungsgesellschaften bezahlen muss. In einem Parallelverfahren gegen DropBox und einen weiteren Anbieter von Cloud-Dienstleistungen mit Sitz in der Schweiz hat das OLG entsprechend geurteilt.

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Clouds sind keine Geräte- und Speichermedien

Mit den streitgegenständlichen Cloud-Dienstleistungen handelt es nach Auffassung des 38. Senats des OLG München nicht um abgabepflichtige Geräte oder Speichermedien im Sinne des §§ 54 ff. UrhG (sog. angemessen Vergütung) bzw. nach Art. 5 Abs. 2 lit. b) der europäischen InfoSoc-RiL 2001/29 EG (sog gerechter Ausgleich). Es fehlt damit an einer Anspruchsgrundlage für die Forderungen der ZPÜ. §§ 54 ff. UrhG knüpfen die Urheberrechtsabgabe an das Inverkehrbringen von physischen Vervielfältigungsgeräten und Speichermedien im Inland (Deutschland).

Keine Regelungslücke und kein Verstoß gegen europäische Ergebnispflicht

Auch eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der §§ 54 ff. UrhG auf Cloud-Dienste erlauben würde, liegt nach Ansicht des OLG München nicht vor.

Zudem konnte das Gericht keinen Verstoß gegen die von der ZPÜ auch in diesen Verfahren angeführte sog. europäische Ergebnispflicht erkennen, da die Urheber eine angemessene Vergütung bzw. eine gerechten Ausgleich für "in die Cloud" angefertigte Privat-Kopien uns sonstige relevante Vervielfältigungen bereits durch die Urheberrechtsabgabe auf PC, Mobiltelefone, Tablets und andere Geräte und Speichermedien erhalten (weitere Informationen dazu finden Sie hier).

Auf eine Geräteabgabe für Server, die von Cloud-Anbietern erworben oder angemietet und für die Erbringung ihrer Dienste genutzt werden, hat die ZPÜ in ihren Gesamtverträgen betreffend die Geräteabgaben für PC zudem ausdrücklich verzichtet.

Die Revision zum BGH gegen die Urteile hat das OLG München mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen. Der Senat habe seiner Entscheidung die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt und ist von diesen nicht abgewichen (vgl. dazu hier).

Forderungen der ZPÜ

Die Zentralstelle für private Überspielungsrechte ZPÜ hat in einer Reihe von Verfahren vor der Schiedsstelle nach dem VGG und insg. drei Parallelverfahren vor dem OLG München verschiedene Anbieter von Cloud-Speichern wie z.B. Google Drive, DropBox, iCloud, OneDrive und anderen Cloud-Dienstleistungen in Ansprtuch genommen und verlangt von diesen einen Ausgleich nach §§ 54 ff. UrhG (Urheberrechtsabgabe) für "mittels Clouds" angefertigter sog. Privatkopien nach § 53 Abs. 1, Abs. 2, §§ 60a-60f UrhG, bzw. eine gerechten Ausgleich nach Art. 5 Abs. 2 lit. b) InfoSoc-RiL 2001/29 EG. Auch ein von uns vertretener Anbieter von professionellen, hochsicherer und DSGVO-konformer B2B-Cloud-Diensten wurde von der ZPÜ vor dem OLG München verklagt.

Die ZPÜ fordert in ihren Klagen, die sich auf die Jahre 2019 bis 2021 beziehen, sehr weitreichende Auskünfte und die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer der Höhe nach noch unbestimmten "Cloud-Abgabe". U.a. sollen Sie "pro Kalenderjahr Auskünfte über Stückzahlen an Clouds ... erteilen, die seit 2019 in Deutschland in den Verkehr gebracht bzw. an Kunden überlassen wurden und werden. Im Rahmen der Auskunftserteilung ist zu unterscheiden, wie viele dieser Clouds jeweils nachweislich privaten Endabnehmern und gewerblichen Endabnehmern zur Verfügung gestellt wurden. Dabei sind jeweils pro an private Endabnehmer und gewerbliche Endabnehmer in Verkehr gebrachter Cloud nach derzeitigem Stand folgende Angaben von Bedeutung

  • Stückzahl (Anzahl) und Art der Clouds (Marke, Produktbezeichnung bzw. Angaben zum/zur jeweiligen Variante/(Vertrags-) Kategorie/Produkt/Abonnement)
  • Die jeweils mindestens und maximal zulässige Anzahl der Cloud-Nutzer und die maximale Anzahl der registrierten Nutzer (für mindestens einen Monat) pro Cloud-Variante/(Vertrags-) Kategorie/Produkt/Abonnement
  • Die Dauer der Überlassung in Monaten, und zwar die Summe aller Monate über alle registrierten Nutzer pro Cloud-Variante/(Vertrags-) Kategorie/Produkt/Abonnement
  • Die maximale Speicherkapazität/der maximal nutzbare Speicher in GB pro Cloud-Variante/(Vertrags-) Kategorie/Produkt/Abonnement
  • Die Höhe des Preises (netto) für den Cloud-Kunden pro Cloud-Variante/(Vertrags-) Kategorie/Produkt/Abonnement"

Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Austro-Mechana ./. Strato AG

Die ZPÜ stützt sich dabei auf das Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 24. März 2022 in der Rechtssache C 433/20 Austro-Mechana ./. Strato AG (s. dazu hier), in dem der EuGH jedoch gerade festgestellt hat, dass die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing keinen (weiteren) gerechten Ausgleich schulden, wenn bereits die Zahlung eines gerechten Ausgleichs an die Rechtsinhaber vorgesehen ist. Die EU-Mitgliedstaaten sind nach der Entscheidung des EuGH also nicht verpflichtet, die Anbieter von Cloud-Dienstleistungen zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs nach Art. 5 Abs. 2 lit. b) der InfoSoc-RiL 2011/29/EG (in D: §§ 54 ff. UrhG) zu verpflichten, wenn der gerechte Ausgleich bereits anderweit geregelt ist. Dabei betont der EuGH auch, dass eine Urheberrechtsabgabe (in Deutschland nach §§ 54 ff. UrhG Geräte- und Speichermedienabgabe) nicht über den Schaden hinausgehen darf, der den Urhebern durch die Privatkopie entsteht; eine Überkompensation dieses Nachteils ist also unzulässig.

Die jüngsten, durchweg erfolglosen Klagen der ZPÜ und der Verwertungsgesellschaften gegen Betreiber von Online-Marktplätzen wie z.B. rakuten.de und die Anbieter von Cloud-Dienstleistungen zeigen, dass das 1965 mit Aufkommen des Spulentonbandgeräts Grundig-Reporter eingeführte, schon lange heftig umstrittene System der pauschalen Urheberrechtsabgaben auf IT-Geräte und Speichermedien "am Ende" ist. Eine angemessene Vergütung bzw. ein gerechter Ausgleich für die Anfertigung legaler Privatkopien und bestimmter anderer Vervielfältigungen für den eigenen Gebrauch, konnte dieses System nie gewähren. Durch den Siegeszug von Streaming-Angeboten, Online-Mediatheken und und Cloud-Angeboten wird es endgültig kollabieren. Zugleich hat es v.a. den deutschen IT-Mittelstand mit erheblichen Bürokratie und hohen Kosten belastet.

Dr. jur. Urs Verweyen, LL.M. (NYU)
Dr. jur. Urs Verweyen, LL.M. (NYU) | Rechtsanwalt, Partner

Weiterführende Informationen

Eine ausführliche Zusammenfassung der Entscheidung ZPÜ ./. DropBox finden Sie auf heise.de

Eine gute Zusammenfassung der Verfahren von Erik Bärwaldt finden Sie zudem auf golem.de, hier.

Weitere Informationen zu den Forderungen der ZPÜ finden Sie hier!

Das Urteil des OLG München könne Sie hier herunterladen.

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